Kuba ist die größte Antilleninsel in der Karibik und durch Hemingway, Castro und den Buena Vista Social Club ein sehr beliebtes Urlaubsziel. Der sozialistische Inselstaat zieht mit seinen himmlischen Stränden, lebensfrohen Kolonialstädten, von denen viele zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, Millionen von Besuchern Jahr für Jahr an. Städte wie Havanna, Trinidad, Santiago der Cuba oder Camagüey sind echte Perlen und haben sich ihren kolonialen Charme von einst bewahrt. Varadero, Cayo Coco und die Playa de Guardalavaca locken mit puderweißen Sandstränden. Aber was wäre Kuba ohne seine legendären Oldtimer? Denn wer auf Kuba Urlaub verbringt, betritt ein lebendiges „Museum“.

Auf Kuba gibt es viel(e) "Alt-Eisen"

Auf Kuba gibt es viel(e) „Alt-Eisen“ (Foto: Casa 1902)

Obwohl die Castro-Regierung vor langer Zeit den Kauf neuwertiger Autos erlaubte, sind die geforderten Preise einfach nur weltfremd. So kostet ein gebrauchter Peugeot Mittelklasse-Wagen etwa zehnmal so viel wie hier in Deutschland. Eine echte Beleidigung für ein stolzes Volk. Notgedrungen fahren die verbitterten Kubaner ihre oftmals zusammengeflickten Oldtimer stoisch weiter. Weitestgehend unbekannt ist hingegen die sehr vielfältige kubanische Motorradszene.  Zu ihr gehören auch die Harlistas Cubanos, die sich einmal im Jahr zur großen Fahrt von Havanna nach Varadero treffen. Und in Varadero wird dann ordentlich gefeiert.

Die Harlistas treffen sich einmal im Jahr in Varadero

Die Harlistas treffen sich einmal im Jahr in Varadero (Foto: Casa 1902)

Fast einhundertjährige Harley-Davidson Geschichte auf Kuba

Vor fast 100 Jahren eröffnete Luis Bretos die erste Harley-Niederlassung in Havanna. Während der nächsten dreißig Jahre waren Harley Davidson-Motorräder in Kuba alltäglich. Und die Faszination für die Milwaukee-Schwergewichte wurde von motorisierten Polizisten geteilt, die liebevoll als „Caballitos“ und „Harlistas“ bezeichnet wurden.

Aber mit der Revolution von 1959 wurde plötzlich alles anders: Die Niederlassung in Havanna schloss und mit dem US-Embargo gegen Kuba ging es nicht nur wirtschaftlich mit der Karibikinsel bergab. Der Kauf von dringenden Ersatzteilen für die Harley Davidson-Maschinen wurde ebenfalls wohl oder übel eingestellt. Kuba lag am Boden. Aber die Leidenschaft und der bedingungslose Wille der Kubaner, ihre schweren Motorräder weiter zu fahren, haben das Unmögliche (seit Jahrzehnten) möglich gemacht.

Und so befinden sich die meisten Motorräder, die bis zu 80 Jahre alt sind, in einem gutem bis sehr guten Zustand, dank des Einfallsreichtums und des Improvisationstalents der Kubaner. Und es sind nicht nur Harley-Davidson und Indian, sondern auch klassischer Motorräder von Triumph, BSA, Norton und Matchless, die ebenfalls liebevoll gewartet werden.

Auf Kuba gibt es noch viele Motorräder alter Marken

Auf Kuba gibt es noch viele Motorräder alter Marken (Foto: Casa 1902)

Harlistas Cubanos Treffen in Varadero

Der Harlistas Cubanos MC ruft einmal im Jahr zu einer Rallye auf, bei der mehr als 150 Motorräder im Badeort Varadero zusammenkommen. „Rallye“ ist wohl etwas übertrieben, vielmehr geht es ums gemeinsame Cruisen vom Startpunkt Havanna bis zum bekannten Badeort im Norden der Insel. Und längst ist das Event über die Grenzen Kubas hinaus bekannt. Viele Harley- und Klassiker-Fans aus dem Ausland gesellen sich zu dem eingeschworenen Club mit ihren Kutten.

In Varadero werden Freundschaften gepflegt

In Varadero werden Freundschaften gepflegt (Foto: Casa 1902)

„Einmal im Jahr treffen wir uns hier, um die Freundschaft zwischen Kubanern zu pflegen, die die Leidenschaft für diese Motorräder teilen“, erklärt Orginsator Abel Pez. „Aber wir freuen uns auch über die vielen Besucher aus anderen Ländern, um sich mit uns auszutauschen.“

Anubis aus Matanzas erzählt mir, dass die Rallye von Havanna nach Varadero jedoch keine neue Erfindung ist, sondern auf eine Zeit vor der Revolution zurückgeht. Inspiriert von einem Harley-Davidson Buch stellten sich ein paar Harlistas die Frage wie viele Harley Davidson Motorräder es noch in Kuba gibt. Zunächst organisierten sie eine Fotoausstellung von einigen der alten Maschinen, die ihre Resonanz nicht verfehlte.

Abends wird bei den Harlistas ordentlich gefeiert

Abends wird bei den Harlistas ordentlich gefeiert (Foto: Casa 1902)

Und in 2012 fand das erste Treffen statt, damals mit nur 70 Teilnehmern und ausschließlich mit Kubanern. Im zweiten Jahr erreichten die Harlistas bereits viele Anfragen aus dem Ausland zur Teilnahme. Seit dem erfreut sich Harley-Gemeinschaft auch über Gleichgesinnte aus Kanada, den USA und sogar Deutschland, die ihre Bikes in einem Container nach Santiago verschiffen und machen sich auf den weiten Weg nach Varadero machen, so wie Jens aus Leipzig.

Die Harlistas reisen aus ganz Kuba an

Die Harlistas reisen aus ganz Kuba an (Foto: Casa 1902)

Kein Weg ist in Kuba zu weit

Die Teilnehmer kommen aus dem ganzen Land, einige sogar aus dem 800 Kilometer entfernten Santiago de Cuba, Holguin und Camagüey, um mit ihren Freunden gemeinsam zu feiern.

„Wir leben für das Motorrad und tun alles, um es am Leben zu halten und schöner zu machen.“, erklärt mir Anubis in perfektem Englisch und einigen Brocken Deutsch die Situation.

Ein echter Harlista trägt auch standesgemäß eine Kutte. Die Lederwesten sind mit 150 Euro für die Kubaner ein richtig teures Accessoire, aber man leistet sich das gerne. Der Stolz in ihren Gesichtern, darauf angesprochen, lässt keine Zweifel aufkommen. Und ich merke, hier ist in den letzten Jahren eine kubanische Mittelschicht entstanden, die Motorradfahren nicht als pragmatische Fortbewegung, sondern auch als Hobby versteht.

Auch auf Kuba trägt der Biker seine Kutte

Auch auf Kuba trägt der Biker seine Kutte (Foto: Casa 1902)

Was mir besonders hier auf Kuba gefällt: beim Jahrestreffen stehen ganz klar Freunde und Familie im Vordergrund. Hier wird nicht stundenlang über die richtige Gewindelänge einer Schraube philosophiert oder der Perfektion einer Lackierung oder Verchromung gehuldigt.

Teilebeschaffung kompliziert, aber machbar

Nein, die Harlistas Cubanos freuen sich nach einem Jahr endlich mal wieder in großer Runde wiederzusehen, denn sie verbindet – markenübergreifend – eine große Freundschaft. Sie helfen sich gegenseitig bei der Teilebeschaffung, die auf der vom US-Embargo arg gebeutelten Insel immer noch extrem schwer ist. Inzwischen unterhalten aber viele Harlistas gute Verbindungen zu Freunden in Kanada, USA und Deutschland.

Organisator Abel, ein jüngerer „Dwayne Johnson“-Verschnitt, hat inzwischen selbst die Möglichkeit im Ausland Ersatzteile für sich und andere Harlistas zu beschaffen. Der äußerst sympathische Anubis sitzt sogar berufsbedingt direkt an der Quelle. Mit einem lukrativen Job im „Media Varadero“ ist er heute mit vielen Harley-Davidson Fahrern in Amerika freundschaftlich verbunden, die ihm regelmäßig Teile bei ihren nächsten Kuba-Trips mitbringen. Und sein Job verschafft ihm die notwendigen harten Devisen, die sich in harte Auslandswährung tauschen lassen.

Anubis (rechts) sitzt an der Ersatzteilquelle

Anubis (rechts) sitzt an der Ersatzteilquelle (Foto: Casa 1902)

Das älteste Motorrad auf dem Treffen war übrigens eine Harley-Davidson von 1936, die sich seit Generationen im Familienbesitz befindet. Servando aus Santa Clara hatte sie als 16-Jähriger von seinem Vater bekommen, der sie zuvor wiederum von seinem Vater vererbt bekam.

„Mein Großvater Remorales sagte zum meinem Vater, dieses Motorrad bleibt immer in der Familie. Und ich werde sie auch niemals verkaufen.“, erzählt Servando.

Auch seine Kinder sind mit dem gepflegten „Heavy Metall“ schon längst vertraut und – selbstredend – mit Papa zum Treffen gefahren. Servando repariert seine HD selber, soweit er kann. Der originale Tacho bleibt jedoch leider kaputt, denn ein Ersatz kostet 2000 Euro und ist damit für ihn unerschwinglich. Denn Originalität ist auch hier eine Preisefrage und selbst für relativ gutverdienende Harlistas ein absoluter Luxus, weshalb sie bevorzugt auf gute Repro-Teile aus Kanada zurückgreifen. Für kleinere Teile gibt es auf Kuba viele geschickte Mechaniker, die bspw. Buchsen selber fertigen.

Die Harleys auf Kuba werden so gut es geht erhalten

Die Harleys auf Kuba werden so gut es geht erhalten (Foto: Casa 1902)

Ein Harlista lässt sich durch nicht erschüttern

So schaffte es Albert aus Havanna mit seiner öligen 1955‘er Knucklehead – nach deren Prinzip laufen Harleys Big Twin-Motoren noch heute – von der Hauptstadt bis ins Urlaubseldorado Varadero. Die betagte Harley, die normalerweise sein Bruder fährt, gab kurz vor dem Ziel röchelnd den Geist auf. Der marode Zylinderkopf war unrettbar gebrochen. Hier hatte der Zahn der Zeit über Jahrzehnte genagt. Und mal ehrlich, kein „Gore-Tex-Warnwesten-Vollkasko-Träger“ aus Deutschland hätte sich mit so einer alten Schüssel auf die 150 Kilometer lange Reise begeben.

Diese 1955‘er Knucklehead schaffte es gerade noch nach Varadero

Diese 1955‘er Knucklehead schaffte es gerade noch nach Varadero (Foto: Casa 1902)

Doch ein Kubaner lässt sich seine Freude an seinem Motorrad nicht nehmen, und schon gar nicht von so einem „kleinen Problem“. Was ich auf meinen vielen Kubareisen bislang gelernt habe ist, es gibt für alles eine Lösung. Es verwundert daher nicht, dass sich die Harlistas Cubanos wie eine eingeschworene Familie gegenseitig helfen. Tatsächlich traf ich Alberts Bruder mit genau dieser Knucklehead beim Plausch in Havanna-Vieja eine Woche später.

Alberts Bruder mit der Harley beim Plausch in Havanna-Vieja

Alberts Bruder mit der Harley beim Plausch in Havanna-Vieja (Foto: Casa 1902)

Heute gibt es auf Kuba ungefähr 150 Harley-Davidson Maschinen, wovon sich die Hälfte in einem erstaunlich guten Zustand befindet. Die bis zu 80 Jahren alten Twins werden von ihren Besitzern mit viel Hingabe und Einfallsreichtum vor dem Exodus bewahrt, so dass sie noch heute das kubanische Straßenbild prägen. Bei einigen Maschinen fragt man sie trotzdem, wieso das Teil noch fährt, aber da unterschätzen wir gerne das viel beschworene, kubanische Improvisationstalent. Und ohne das geht auf Kuba gar nichts!

Die Helden von einst werden von den Harlistas verewigt

Die Helden von einst werden von den Harlistas verewigt (Foto: Casa 1902)